Der Geschichte österreichischer Unternehmen auf der Spur

Der Geschichte österreichischer Unternehmen auf der Spur
„Mit ZEDHIA sichern wir nachhaltig das wirtschafts- und gesellschaftshistorische Gedächtnis Österreichs.“ Nikolaus Futter, Geschäftsführer der Compass-Verlags GmbH in Wien, bringt mit seinem Zentraleuropäischen digitalen wirtschafts- und gesellschaftshistorischen interaktiven Archiv (ZEDHIA) Geschichte in die Gegenwart.

Seit 150 Jahren steht der Wiener Compass-Verlag für hochqualitative und aktuelle Firmeninformationen in Österreich. Mit ZEDHIA hat er jetzt das größte wirtschaftshistorische Online-Archiv in der österreichischen Privatwirtschaft geschaffen und sich damit auf absolutes Neuland gewagt. wirtschaftszeit hat bei Nikolaus Futter, Geschäftsführer der Compass-Verlags GmbH, nachgefragt, wie es zu dem ehrgeizigen Projekt kam und vor allem, welche neuen Möglichkeiten es Unternehmen bietet.

Wie kommt man auf die Idee, seine gesamte Verlagsproduktion aus 150 Jahren zu digitalisieren und über ein Online-Portal der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen?
Unmittelbarer Anlass und Ausgangspunkt des Projektes ZEDHIA war, dass wir im Jahr 2017 unser 150-jähriges Firmenjubiläum begehen. Der Compass hat seit 1867 die österreichische Wirtschaft begleitet, dargestellt, dokumentiert und das in über 750 Buchbänden auf über 1,1 Millionen Seiten. Das Jubiläum bot den Anlass, auf diese lange Geschichte zurückzublicken und sich auch dem historischen Datenmaterial zuzuwenden. 

Jetzt kann man natürlich fragen, wem bringt dieser große Digitalisierungsaufwand etwas? Ich bin überzeugt, dass es für jeden von uns spannende und interessante Inhalte im ZEDHIA-Bestand gibt. Schließlich haben wir alle unsere Vorfahren und viele von diesen waren in den letzten 150 Jahren in der einen oder anderen Funktion bzw. Rolle in österreichischen Unternehmen tätig.

Über ZEDHIA kann also nicht nur Unternehmensgeschichte erforscht, sondern auch Ahnenforschung betrieben werden?
Ja, denn wenn ich meiner Familiengeschichte nachgehe, weiß ich zwar meistens, wann jemand geboren wurde und wie sein privates Leben verlaufen ist, aber Fakten und Inhalte über sein wirtschaftliches Leben zu finden, ist nahezu unmöglich.

Dasselbe gilt im Prinzip für Unternehmen, auch diese haben ihre Geschichte. Für Unternehmen, die ein gewisses Alter erreicht haben – da reicht es schon, wenn es sie seit 30 oder 40 Jahren gibt, sie müssen ja nicht gleich 150 Jahre alt sein – stellt sich bald die Frage, wie war das damals? Wie war unsere wirtschaftliche Situation? Wer waren die Personen, die die Entscheidungen getroffen haben? Welche Produkte, Dienstleistungen und Services hatten wir im Angebot? Das ist Unternehmenswissen, das im Regelfall schnell verloren gehen kann. Wer hat heute noch Mitarbeiter, die so lange dabei sind, dass sie sich an das erinnern, was vor 30 Jahren war?

Ist ZEDHIA nur für Unternehmen und Privatpersonen gedacht?
Nein, natürlich nicht. ZEDHIA ist auch ein Instrument für Wissenschaft und Forschung. Wirtschaftliche Vorgänge, die mehrere Jahrzehnte zurückliegen, sind heute schwer nachvollziehbar und in den allgemeinen Printmedien oft nur bedingt dokumentiert worden.

Der Compass und seine teilweise wöchentlich geführten Parallel-Publikationen schaffen als wirtschaftliche Nachschlagewerke einen tiefen Einblick in die aktuellen Geschehnisse der österreichischen Wirtschaft. Insgesamt weit detaillierter und genauer als die Tageszeitungen jener Zeit.

Was könnte ich beispielsweise auf ZEDHIA recherchieren?
Es wäre etwa möglich, mit Hilfe des Compass eine lückenlose 150-jährige Bilanz der Wienerberger AG zusammenzustellen. Diese wurde 1869 unter dem Namen Wienerberger Ziegel-Fabriks- und Bau-Gesellschaft gegründet und vom ersten gedruckten Compass bis heute im digitalen Firmen-Compass jedes Jahr mit ihrer Bilanz dargestellt. Und solche Bilanzen über Jahrzehnte sind für viele weitere österreichische Unternehmen möglich.

Es ist aber auch spannend, sich die Produkte genauer anzusehen, die früher von den Firmen produziert wurden. Oft kennen wir diese heute gar nicht mehr. Die Inserate zu solchen Produkten können besonders witzig sein, weil über manche der beworbenen Dinge heute kein allgemeines Wissen mehr besteht, was und wofür sie gewesen sein sollen.

Haben Sie für uns auch ein konkretes Beispiel aus dem gesellschaftshistorischen Bereich?
Eine der kuriosesten Informationen, die ich über den ZEDHIA-Bestand gefunden habe, war die Information darüber, dass im Hause Nr. 25 der Franzensgasse in Wien ein verschließbarer Kasten aufgehängt wurde, in dem Post für die Parteien hinterlegt werden könne. Und das im Jahr 1874! Im Prinzip war das der erste Hausbriefkasten, der in einer Leserzuschrift an die Redaktion dokumentiert wurde. Überraschenderweise um 42 Jahre früher, als es die österreichische Post für sich selbst dokumentiert hat.

Was haben Sie mit ZEDHIA noch vor, welche Entwicklungen sind geplant?
ZEDHIA und die darin abgebildeten Bestände unseres Verlags – der Compass, das Zentralblatt für die Eintragungen in das Handelsregister, in dem übrigens sämtliche Handelsregister- bzw. Firmenbucheintragungen von 1902 bis 2001 aufgezeichnet worden sind, und der Tresor – sind das momentane Kernstück einer stetig wachsenden wirtschaftshistorischen Datenbank für den gesamten zentraleuropäischen Raum. Letztendlich erstreckt sich unser Interesse bis hin zu digitalisierten Telefonbüchern, was natürlich ein weitgestecktes und großes Ziel ist.

Manche Datenbestände werden wir durch Kooperationen erhalten, so zum Beispiel die Eintragungen in das Amtsblatt der Wiener Zeitung, die wir im Laufe des Jahres 2017 von 1812 bis 1902 in ZEDHIA einbringen werden. Damit werden die verfügbaren Unternehmens- und Personendaten auf eine Zeitspanne von fast 200 Jahren ausgedehnt.  Andere Bestände wiederum streben wir an, selbst zu digitalisieren und unseren Kunden und Interessenten exklusiv bereitzustellen.

Letztlich ist aus einem Projekt, das wir für unser 150-jähriges Jubiläum schaffen wollten, ein konkretes Produkt und Dienstleistungsangebot geworden. Und wir sind stolz darauf, mit ZEDHIA ein neues Instrument geschaffen zu haben, welches unsere Tradition der letzten 150 Jahre direkt in die Zukunft trägt.

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