Trotz mehr Firmeninsolvenzen deutlicher Rückgang der Passiva

Trotz mehr Firmeninsolvenzen deutlicher Rückgang der Passiva
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870. (Foto: Spiola)

Wien (A) Unternehmensinsolvenzen stagnierten im Jahr 2019. Mit (hochgerechnet) 5.018 insolventen Unternehmen liegt das Jahr 2019 nur minimal über dem Jahr 2018. Die eröffneten Verfahren verzeichneten ein Plus von 1,4 Prozent auf 3.026 Fälle, während die mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren auf 1.992 geringfügig sanken. Insgesamt waren allerdings mit 17.000 Dienstnehmern deutlich weniger Menschen von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen und auch die Schulden sanken beträchtlich um rund 18 Prozent auf EUR 1.689 Mio. Im Langfristvergleich hat Österreich damit wenig Insolvenzen bezogen auf die Zahl der Unternehmen. Allerdings verzeichnet 2019 mit nahezu 30 Großinsolvenzen (über 10 Mio. Passiva) so etwas wie einen kleinen Rekord.

So wenig die Zahlen für ganz Österreich Bewegung und Veränderung erkennen lassen, so unterschiedlich zeichnet sich das Bild in den Bundesländern. Keine Bewegung gab es in Wien, Oberösterreich und Kärnten; Zuwächse im Burgenland, Vorarlberg und Tirol, dagegen Rückgänge in Niederösterreich und der Steiermark. Eine besondere Signifikanz lässt sich aus diesem Bild vorerst nicht herauslesen. Insgesamt sind die Fälle ja viel kleiner geworden und darüber kann auch die hohe Zahl an Großpleiten nichts ändern. Deren Auswirkung sieht man gut an der Entwicklung der Passiva – denn die sinken auch in Bundesländern wie Wien, Oberösterreich und Kärnten mit unveränderten Insolvenzzahlen. Die Passiva werden sehr stark von Großpleiten getrieben, die sich der Planung genauso entziehen, wie einer Strukturanalyse. Industriestandorte wie Oberösterreich, Steiermark und Tirol, wie nicht zuletzt auch Wien, sind immer für Großinsolvenzen gut.

Branchenvergleich:
Traditionsgemäß werden in der Analyse die stärksten drei Branchen nach Fällen und nach Passiva gereiht. Hier gibt es über die Jahre kaum Überraschungen, was einerseits mit der Eigenart der jeweiligen Unternehmen zu tun hat (Kapitalintensität), anderseits aber auch mit der Grundgesamtheit von Unternehmen einer Branche. Es überrascht nicht, wenn große Branchen auch mehr Insolvenzen beisteuern als kleine. Wenn also das Gastgewerbe mit immerhin 42.000 Betrieben (zahlenmäßig größte Branche in Österreich) unter den Top 3 der Branchen nach Insolvenzfällen firmiert, bedeutet das keineswegs, dass diese Branche besonders insolvenzgeneigt wäre. Das Gegenteil ist der Fall: die relative Insolvenzneigung (Insolvenzen bezogen auf Anzahl aller Betriebe) ist sogar deutlich unterdurchschnittlich.

Anders mag es mit der Bauwirtschaft aussehen: sie ist zwar mit etwa 27.000 Betrieben auch eine durchaus große Branche, belegt aber eigentlich immer in Sachen Insolvenzneigung und
-anzahl Spitzenplätze. Die komplexeste und letztlich auch faszinierendste Branche nennt sich „unternehmensbezogene Dienstleistungen“ und darunter fallen alle Servicebetriebe, viel Liegenschaftsgeschäft und alle Holdingunternehmen. Daher darf es nicht wundern, dass diese Branche nicht selten zwei erste Plätze belegt, wie auch in 2019: sowohl die meisten Pleiten, wie auch die höchsten Verbindlichkeiten. Beunruhigen darf so etwas nicht.

Rechtliche Neuerungen:
Seit geraumer Zeit rumort es in Brüssel, was eine Richtlinie für ein europaweit harmonisiertes Insolvenzverfahren anlangt. Diese Richtlinie ist nun letztendlich im Juni 2019 verlautbart worden und ist bis Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen. War die Richtlinie in ihrer eigentlichen Stoßrichtung dafür gedacht, Missstände in manchen süd- und osteuropäischen Ländern zu beseitigen und dort auch moderne Unternehmenssanierungen zu etablieren, muss sich ein fortschrittliches Land wie Österreich, mit der weltweit höchsten Rate an Unternehmenssanierungen überhaupt, auch damit beschäftigen und gegebenenfalls das eigene Insolvenzrecht adaptieren. Die Diskussionen laufen bereits in immer kürzeren Abständen in der Reformkommission im Justizministerium, der anzugehören der KSV1870 die Ehre hat.

Eine der Stoßrichtungen der EU ist die rasche Entschuldung redlich gescheiterter Unternehmer. Auch hier gibt es europaweit ganz unterschiedliche Regime und manche Länder kennen eine, dem österreichischen Privatkonkurs entsprechende, Entschuldungsmöglichkeit noch gar nicht. Wenn nun die EU eine maximale Frist von drei Jahren für diese redlichen Unternehmer vorsieht, dann bedeutet das schon eine Herausforderung. Die von der Arbeiterkammer erhobene Forderung, diese 3 Jahre unbesehen auch auf Verbraucher anzuwenden, kann nicht überzeugen. Schon deshalb nicht, weil diese kein unternehmerisches Wagnis eingegangen waren, sondern in etwa der Hälfte der Fälle unverantwortlich mit Geld oder mit sich selbst umgegangen sind. Echte Lebenskrisen spielen dagegen nur bei 16% der Verbraucher im Konkurs eine Rolle.

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