Jürgen Christmann: Natur leben!

Jürgen Christmann: Natur leben!
Jürgen Christmann

Mit 15 hat ihn die Faszination gepackt: In Turnschuhen und auf eigene Faust eignete sich Jürgen Christmann das Grundwissen übers Klettern an. Jahre später nahm der Dry Tooling-Spezialist am Ice-Kletter-Weltcup teil. Seit Oktober letzten Jahres ist der Dornbirner allerdings nicht mehr so oft an den Kletterwänden dieser Welt zu finden, verbringt er doch die meiste Zeit in seinem eigenen Kletterladen – benannt nach dem schönsten Klettergebiet, mit dem Jürgen Christmann überdies Kindheitserinnerungen verbindet: Siurana.

Sie klettern seit über 20 Jahren. Was hat Sie denn als Jugendlicher dazu bewogen, mit dem Klettern anzufangen?
Eigentlich der Zufall. An sich komme ich nämlich aus einer nicht gerade sportlichen Familie, die nie viel mit Bergen und Wandern zu tun hatte – abgesehen von meinem Opa, der allerdings auch nur, weil er Hüttenwirt war. Ich selbst bin trotzdem ab und zu wandern gegangen, nämlich mit der Pfadi. Und als wir einmal mit dem Bus vom Ebnit herausgefahren sind, habe ich eine Wand gesehen, wo ein paar Kletterer in der Wand gehängt sind. Das hat mich so fasziniert, dass ich am nächsten Tag aufs Fahrrad gestiegen bin und ins Ebnit gefahren bin, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie lang ich da fahren würde. Ich habe die Wand aber gefunden und es war auch einer der Kletterer dort – übrigens heute noch ein guter Kollege von mir. Also habe ich ihm erst ein bisschen zugeschaut und als er dann weg war, hab ich heimlich ein bisschen herumprobiert. Damals war ich etwa 15.    

War das nicht gefährlich?
Nein, ich bin immer in Absprunghöhe geblieben. Das nennt sich Bouldern – eine eigene Spielform des Kletterns – und das macht man sowieso, wenn man alleine ist. Fast ein Jahr lang bin ich mehr oder weniger jeden Tag ins Ebnit gefahren und dort mit Turnschuhen herumgeklettert. Im Grunde habe ich mir das Klettern selbst beigebracht, aber immer auch ein paar Leute getroffen, die mir Tipps gegeben und mir die eine oder andere Technik gezeigt haben. Als mir einer von ihnen ein altes Paar Kletterschuhe geschenkt hat, hab ich mich gleich wie ein richtiger Kletterer gefühlt (lacht).

Und was haben die Eltern dazu gesagt?
Die waren weniger erfreut darüber, also bin ich anfangs immer nur heimlich klettern gegangen.

Wären sie vielleicht beruhigter gewesen, wenn Sie einen Kurs besucht hätten?
Kurse gab es damals noch keine. Klettern war damals noch nicht so populär, wie das heute der Fall ist. Es gab circa 300 Leute hier im Land, mehr nicht. Mit der Zeit haben meine Eltern aber gesehen, dass sie mir das Klettern nicht verbieten konnten und nach und nach habe ich einen Gurt und anderes Sicherungsmaterial bekommen.

Schlussendlich haben Sie sogar weltweit an Wettkämpfen und Meisterschaften teilgenommen. Wie kam das?
Auch das war ein Zufall. Ich habe recht bald Jürgen Reis (Anm.: Profi-Sportkletterer aus Dornbirn) kennengelernt und mit ihm die Ausbildung zum Ausbildern für Leistungs- und Breitensport gemacht. Und gemeinsam haben wir dann auch an Wettkämpfen im Sportklettern teilgenommen. Allerdings war ich nicht so gut darin, weil ich zu groß und zu dünn dafür bin. Außerdem finden Sportklettern-Wettkämpfe immer in der Halle statt und das ist nichts für mich. Ich wollte immer schon hinaus. Ich bin dann viele Jahre einfach so geklettert und habe mich dabei ständig weiterentwickelt: Erst habe ich geklettert und gebouldert, dann kam das Alpin- und Eisklettern – für mich immer noch die schönste und lässigste Art. Per Zufall habe ich dann Petra Müller (Anm.: mehrfache Weltmeisterin im Eisklettern aus Grabs, Schweiz) kennengelernt und mit ihr über ein paar Jahre hinweg trainiert. Sie meinte dann, nur trainieren, um zu trainieren, mache ja keinen Sinn und ich solle doch auch zu den Wettkämpfen mitgehen. Tja, und so habe ich erst an regionalen Meisterschaften und schlussendlich am Weltcup teilgenommen.

Sie waren also so richtig als Profi unterwegs?
Na ja, ich habe eine Saison lang wirklich nicht gearbeitet und nur auf den Weltcup hingearbeitet, das war 2009/10. Aber man muss halt auch das nötige Geld verdienen, um sich das Klettern leisten zu können, also habe ich es in den darauffolgenden Jahren neben dem Job gemacht.

Sie haben vorhin gesagt, dass das Eisklettern für Sie die lässigste Art ist – warum ist das so?
Ja, wobei ich gleich hinzufügen muss, dass Dry Tooling noch mehr mein Ding ist, wobei das ja auch zum Eisklettern gehört. Es ist so: Früher gab’s nur Eisklettern. Weil es aber nicht immer komplett durchgehende Eispassagen gegeben hat bzw. gibt, hat sich mit der Zeit das sogenannte Mixed Klettern entwickelt. Das bedeutet, dass man beim Eisklettern zusätzlich Felspassagen überwinden muss. Bei den Wettkämpfen ist das übrigens das schwierigste. Und dann gibt es noch das Dry Tooling, also im Grunde Eisklettern ohne Eis, wobei die Passagen immer extrem steil und schwierig sind – Eis wächst ja nie so steil wie ein Felsen. Ein weiterer Unterschied zum Eisklettern besteht darin, dass ich beim Dry Tooling zwar weiß, dass der Fels hält, nicht aber ob der Pickel im Felsen hält.

Ich stelle mir beides sehr schwierig und gefährlich vor. Klettern Sie immer mit Sicherung? Es gibt ja Kletterer, die genau darin eine Art „Kick“ empfinden, dass sie nicht gesichert sind.
Ja, es gibt Kletterer, die ohne technische Hilfs- und Sicherungsmittel klettern – ich gehöre aber nicht dazu. Ich bin ein absoluter Gegner vom sogenannten Free Solo Klettern. Aus welcher Motivation heraus man das auch tun mag – manchen gibt diese Todesgefahr anscheinend einen ganz besonderen Kick –, für mich ist das nichts. Ich möchte und muss kein Risiko eingehen. Im Gegenteil: Für mich steht die Sicherheit an erster Stelle, denn ich will noch sehr lange leben und klettern und dabei meinen Spaß haben.

Früher waren Sie – wettkampfbedingt – auf der ganzen Welt unterwegs.
Heute bin ich vorwiegend hier im Lände unterwegs. Wenn es aber die Zeit zulässt, fahre ich natürlich nach Siurana – für mich immer noch das schönste Klettergebiet überhaupt.

Ein gutes Stichwort: Sie haben ja vor einem guten halben Jahr Ihren eigenen Kletterladen in Dornbirn eröffnet – ein Fachgeschäft für Bergsport. War es schon immer ein Traum von Ihnen, ein solches Geschäft zu besitzen?
Nicht ganz. Bevor ich mit dem Klettern angefangen habe, habe ich nämlich gesurft und daher hab ich als Kind davon geträumt, meinen eigenen Surfladen zu haben – oder sagen wir so: Ich war damals fest davon überzeugt (lacht). Mit dem Klettern haben sich meine Prioritäten dann verlagert, allerdings  war mein eigentliches Ziel immer der Bergführer. Vor drei Jahren hatten ein Freund und ich dann allerdings einen schweren Unfall (Anm.: Sein Freund sitzt seither im Rollstuhl). Damit hat sich das mit dem Bergführer für mich erledigt. Und die Sache mit dem Laden ist wieder in den Vordergrund gerückt – nur halt kein Surferladen, sondern ein Geschäft für Bergsport (schmunzelt).

Und der heißt Siurana, weil es das schönste Klettergebiet ist...
Ja. Aber auch weil ich einen ganz persönlichen Bezug zu Spanien bzw. eben zu dieser Region und zum Gebiet Siurana habe. Als Kind, also bevor ich in die Schule gekommen bin, habe ich fast das ganze Jahr dort unten gewohnt. Meine Großeltern haben dort ein Haus und weil meine Eltern beide gearbeitet haben, habe ich eben sehr viel Zeit in Spanien verbracht. Und ja, auch weil es das schönste Klettergebiet auf der Welt ist

Abgesehen davon, dass Sie als versierter Kletterer wissen, was Sie Ihren Kunden anbieten müssen: Inwiefern profitieren Sie noch von Ihrem Hobby?
Wir hatten gerade letzthin eine Diskussion bezüglich Problemlösungen. Beim Klettern tut man im Grunde nichts anderes: Man hat ein Stück Fels – das ist das Problem und dieses gilt es, zu lösen. Außerdem kommt es immer wieder einmal vor, dass man vor einer Tour steht, bei der man sich denkt: „Kein Chance. Das schaffst du nie!“ Wenn du aber dranbleibst, dann geht es auf einmal.

Factbox
Jürgen Christmann (36)
•    Geschäftsführer und Inhaber siurana berg & kletterladen, Dornbirn
•    Außerdem: Ausbildner bei der Alpinschule Bergaufbergab, Weiler
•    wohnt in Dornbirn
•    ein Sohn (4 Jahre)

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siurana bergsport und skikultur, Jürgen Christmann

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