Studium mit Zukunft: „Eine Grundvoraussetzung ist Begeisterung“

Studium mit Zukunft: „Eine Grundvoraussetzung ist Begeisterung“
Dipl.-Ing. Arch. Hugo Dworzak, MArch

Hugo Dworzak ist Leiter des Instituts für Architektur und Raumentwicklung der Universität Liechtenstein und Inhaber der „Architekturwerkstatt Dworzak“ in Lustenau. Ein sympathischer Netzwerker und Dozent an zahlreichen Hochschulen der Welt mit viel Bezug zur jüngsten Generation.

Würden Sie sich bitte kurz vorstellen?
Seit 13 Jahren bin ich an der heutigen Universität in Liechtenstein unterrichtend im Bereich Entwurf tätig und leite die Architekturschule seit einem Jahr. Ich habe Architektur in Innsbruck studiert und danach ein Nachdiplomstudium in New York absolviert. Nach meiner Rückkehr eröffnete ich ein eigenes Büro und wurde nach Innsbruck geholt, um dort als Assistent unterrichtend tätig zu sein. Parallel zu meinem Büro habe ich 14 Jahre in Innsbruck unterrichtet.
Mein erstes Büro war in Dornbirn und seit jeher zusammen mit Arno Bereiter, wobei wir uns die Räume und Infrastruktur teilten, jedoch jeder seine eigenen Projekte bearbeitete, also praktisch zwei Büros in einem. Das hat den großen Vorteil, dass man sich gedanklich austauschen kann, und immer einen Gesprächspartner hat. Vor etwa 13 Jahren bekam ich das Angebot, in Liechtenstein zu unterrichten und machte eine Weile lang beides, Innsbruck und Liechtenstein, neben meinem Büro. Ich war jede Woche einen Tag in Innsbruck, einen Tag in Liechtenstein und drei Tage im Büro. Nebenher unterrichtete ich im Ausland an unterschiedlichen Orten und war deshalb sehr viel unterwegs.

Sie sind also Lehrer und selbstständiger Architekt in einer Person. Wie ist das?
Ich bin davon überzeugt, dass das Unterrichten und das Büro sich gegenseitig befruchten. Es gibt Situationen, welche die Praxis nicht bieten kann, jedoch der Unterricht – und umgekehrt. Die Praxis verlangt sehr oft pragmatisches, direktes, lösungsorientiertes Denken. Der Raum für Recherche und die Suche nach neuen Lösungsansätzen käme zu kurz und wird durch die Lehre geboten.
Sind das nicht zwei völlig verschiedene Welten, die da aufeinander prallen?
Ich habe immer dafür gesorgt, dass die eine Welt von der anderen weit genug entfernt ist, damit über diese Entfernung die gegenseitige Befruchtung besser funktioniert. Je mehr jemand versucht, die Praxis und den Unterricht einander anzunähern, desto eher passiert es, dass er aus dem Unterricht Praxis macht und umgekehrt, in der Praxis unterrichtet.

Was ist für Sie der besondere Reiz am Unterrichten an einer Universität?
Durch das Unterrichten hat man immer den Bezug zur jüngsten Generation, man ist also immer am Nabel der Zeit. Selber wird man ja älter und hat eine gewisse Weltsicht, die sich manifestiert. Wenn diese Weltsicht nicht immer wieder hinterfragt wird, ist dieses Manifest irgendwann so gefestigt, dass es sich nicht mehr bewegen würde. Auch bei mir im Büro treffen die Generationen aufeinander, die jungen Leute bringen ihre Musik mit, sie bringen ihre Welt mit und so bin ich eigentlich immer auf einem aktuellen Stand.

Kann in Liechtenstein noch berufsbegleitend studiert werden?
Die berufsbegleitenden Studiengänge gibt es nicht mehr, eine Universität darf das nicht. Das war eine Entscheidung, die zu treffen war, was auch zu großen Änderungen führte. Über die Fachhochschule und Hochschule hat es sich so entwickelt, dass etwa 50 Prozent der Studenten berufsbegleitend studierten. Das war nicht immer einfach, weil es den Studienplan etwas auseinander riss, hatte aber auch Vorteile. Auch dabei trafen verschiedene Welten aufeinander, weil ein berufsbegleitender Student aus der Praxis kommt und schon sehr viel weiß, während ein Vollzeitstudent nach der Matura fachlich noch sehr jungfräulich ist und im Prinzip noch gar nichts weiß. Die meisten lassen sich dabei auf etwas ein, von dem sie eigentlich gar nicht wissen, was passieren wird, und was das für eine Welt ist, in die sie da eintreten. Interessanterweise sind alle, die wirklich wollen, die ein Bedürfnis haben, etwas zu machen, auch erfolgreich. Es ist beinahe so etwas wie ein Geheimrezept: Etwas wirklich zu wollen.

Was zeichnet die Universität Liechtenstein im Architekturstudium aus, verglichen mit den anderen Hochschulen?
Wir haben ein sehr klares Profil, das den Praxisbezug unterstreicht, ein Curriculum, das darauf ausgelegt ist, dass man im Bachelor-Bereich einen Beruf erlernt. Die Absolventen sind Handlungsfähig, nicht nur im Büro, sondern auch nach außen hin. Dieser Bezug nach außen entsteht ganz stark durch eine handwerkliche Umgebung, in der das Handwerk von so hoher Qualität ist, dass man es in das Schulsystem mit aufgenommen hat. Wir holen Handwerker an die Schule, wir schicken Studenten in Werkstätten, damit die Konfrontation, wie etwas wirklich gemacht wird, von allem Anfang an schon passiert. Wir stellen auch sehr viele Kontakte zu guten Büros in der Region her, damit Studenten ihre Berufspraxis in Arbeitsumgebungen machen können, die für sie förderlich sind.

Andere Schulen machen das anders?
In anderen Schulen der Umgebung ist es eher so, dass die Absolventen zwar denkfähig sind, aber die Handlungsfähigkeit erst lernen müssen. Wir versuchen dieses Paar aus Denken und Handeln miteinander zu betreuen. Im Masterstudium wird die Denkfähigkeit verstärkt unterstützt, denn diese Studenten beginnen damit, Fragen zu stellen, Fragen an die Architektur, an sich selber, an ihre eigene Zukunft und vor allem auch an die Zukunft der Architektur. Das macht die Studenten nicht nur denk- und handlungsfähig, sondern auch erfindungsfähig.

Ist die Bodenseeregion ein gutes Umfeld für angehende Architekten?
Unser Umfeld entbehrt einer Sache, die ich für wichtig halte, der Stadt. Liechtenstein hat keine, Vorarlberg auch nicht, die nächste Stadt, wenn man überhaupt davon sprechen kann, ist Sankt Gallen. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Studenten zumindest für ein halbes Jahr, und das ist Pflicht, ein Auslandssemester in einer städtischen Umgebung machen, damit das Thema Stadt für den Studenten auch geläufig wird. Wenn man davon ausgeht, dass die Menschheit zu großen Erfindungen und Leistungen imstande war, dann sind das die Sprache und die Stadt.
Der Architekt sollte darauf aus sein, sich möglichst nicht zu spezialisieren und möglichst viele verschiedene Bereiche denkend abdecken zu können. Ein weiter Horizont ist sehr wichtig.

Die kleine familiäre Universität in Liechtenstein wird immer wieder gelobt. Wie sehen Sie das?
Es freut mich, dass das tatsächlich so wahrgenommen wird. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zwischen Unterrichtenden und Studenten von etwa eins zu zwölf, das ist eine familiäre Situation. Man kennt einander und kann sich auch persönlich aufeinander einlassen. Die Distanz zwischen Dozierendem und Studierendem ist sehr gering, was eine besondere Qualität ist, um Menschen etwas beizubringen, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen. Wir haben 150 Architekturstudenten und sind beim Entwurf alle zusammen in einem Großraumatelier tätig. Manche bezeichnen das als „Kernkraftwerk“, dort wird ausgetauscht und da explodiert es auch manches Mal. Studenten erleben  mit, was an anderen Tischen gemacht und gedacht wird, und ob man nun will oder nicht, man lernt von der Anwesenheit der Anderen sicher gleich viel, wie vom eigenen Projekt.
Unsere Studenten sind keine Nummern sondern Personen. Man weiß meistens wie es ihnen geht, auch wenn es einmal nicht so gut geht. Das ist auch eine Qualität, die sonst nur noch Privatschulen bieten können. Wir haben Möglichkeiten, die andere definitiv nicht haben, und aus diesen Möglichkeiten versuchen wir, größtmöglichen Nutzen zu ziehen.

Viele der Absolventen finden auch lobende Worte speziell für die Dozenten.
Wir haben sehr viele Dozenten, die selbst auch in der Praxis tätig sind, vor allem im Entwurfsbereich. Es kommen allerdings nur ausgewählte Architekten in Frage, denn es kann nicht automatisch jeder sehr gute Architekt auch gut unterrichten. Zwei Drittel der Dozenten sind aus der Region, das andere Drittel suchen wir im internationalen Raum.

Führt diese Internationalität in der Architektur nicht gezwungenermaßen zu einem weltweiten Einheitsbrei?
Diese Gefahr besteht natürlich, sie ist allgegenwärtig und nennt sich Globalisierung. Man muss da sehr vorsichtig und kritisch sein. Der so genannte Regionalismus im Gegensatz zur Globalisierung, beides ist aktuell, beides ist akut, und eines soll das andere nicht in Frage stellen, sondern sich gegenseitig bereichern. Nur auf ein Pferd zu setzen, wäre zum Schiffbruch verurteilt, die Verbindung zwischen beidem ist absolut nötig. In unserer Region besteht allerdings eher die Gefahr, dass zu regional gedacht wird.

Welchen Einfluss hat dieses Wissen auf die Lehre in Liechtenstein?
Wir befinden uns in einer Umgebung, die ein phantastisches Angebot an kultureller Unterhaltung bietet. Wir empfehlen unseren Studenten stets, sich Museen, Ausstellungen, Jazzkeller und vieles mehr anzusehen, das ist wichtig. All diese Angebote der Region zusammengenommen, ist es schon wieder fast wie eine Stadt.

Sie sind an einem interessanten architektonischen Bushaltestellen-Projekt beteiligt. Wie kam es dazu?
Bernardo Bader und ich sind als Unterrichtende der Universität Liechtenstein per Zufall an diesem Projekt beteiligt. Ein umtriebiger Wahl-Krumbacher hatte die Idee, die sieben Bushaltestellen in Krumbach von sieben namhaften internationalen Architekten gestalten zu lassen. Den Architekten, die nicht dauernd anwesend sein können, wurde ein lokaler Partner, ein Architekt aus der Umgebung, zur Seite gestellt. So kamen Bernardo Bader und ich in das Projekt. Der damit verbundene Austausch ist regional und trotzdem international-global. Viel besser kann eine Verknüpfung gar nicht passieren. Hut ab vor Hansjörg Baschnegger, der diese Idee lanciert hat, der mit Elan und Emotion dahinter steht. Ein Kulturverein wurde extra gegründet, die meisten Handwerker und Architekten sind unentgeltlich tätig, desgleichen der Bürgermeister Arnold Hirschbühl. Dieses Projekt würde ein Vermögen kosten, aber inzwischen sind viel Engagement, viele Sponsoren und Unterstützer dabei.

Wie ist denn der aktuelle Stand dieses Projektes?
Die erste Bushaltestelle wurde inzwischen gebaut und im Kunsthaus Bregenz ausgestellt. Der Architekt Smiljan Radic stammt übrigens aus Chile. Die anderen Bushaltestellen sind in der Phase der Umsetzung und sollen im Mai 2014 aufgestellt werden. Alle beteiligten Architekten werden dann wieder nach Vorarlberg kommen, um zu sehen, wie ihr Projekt in der Realität aussieht.

Würden Sie sich selber als Netzwerker bezeichnen?
Ganz sicher. Architekten sind Teile von einem großen Ganzen. Jeder der sich als Teil davon sieht, ist wahrscheinlich näher an diesem Gedanken der Architektur, für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft etwas zu machen. Man ist als Architekt per se in einem Netzwerk tätig und es ist auch wichtig, dieses zu verstehen und zu pflegen.

Was empfehlen sie dem Nachwuchs?
Ich glaube, eine Grundvoraussetzung ist Begeisterung. Wer etwas wirklich möchte, ist nie falsch. Am schwierigsten sind die Leute, die nicht wissen was sie wollen, und einfach einmal probieren.

Factbox:
Dipl.-Ing. Arch. Hugo Dworzak, MArch
1977 bis 1987 Architekturstudium an der Universität Innsbruck
1987 bis 1989 Post Graduate Studies, Pratt Institute New York
1989 Master of Architecture, Eröffnung eines eigenen Büros und Berufung durch Professor Othmar Barth als Assistent an die Universität Innsbruck.
Bis 2010 kontinuierlich Lehraufträge am Institut für Raumgestaltung bei Prof. Gabi Seifert
Seit 1999 in Liechtenstein tätig: vom LIS zur Universität Liechtenstein Entwurfsdozent vom ersten Jahr bis inklusive masterclass.
Seit 2012 Institutsleiter Architektur und Raumentwicklung Universität Liechtenstein

Auf Social Media Teilen:          

Universität Liechtenstein

  Fürst-Franz-Josef-Str., 9490 Vaduz
  Liechtenstein
  +423 265 11 11
  info@uni.li
  http://www.uni.li

Logo Universität Liechtenstein

Könnte Sie auch interessieren