Studium mit Zukunft: Wir setzten auf Selbständigkeit, Eigenverantwortung und kritisches Denken

Studium mit Zukunft: Wir setzten auf Selbständigkeit, Eigenverantwortung und kritisches Denken
Roman Banzer

Ist ein universitärer Abschluss ein optimaler Start in das Berufsleben? Universitäten wird häufig ein mangelnder Praxisbezug und eine nicht mehr zeitgemäße Lehre vorgeworfen. Die Hochschuldidaktik beschäftigt sich mit der Aufgabe, den Studierenden zeitgemäße Inhalte in einer praxisbezogenen Form zu lehren. „Wir möchten eine begeisternde Lehre anbieten“, sagt  Roman Banzer von der didaktischen Fachstelle der Universität Liechtenstein.

Was hat es mit dem Begriff der Hochschuldidaktik auf sich?

Ich denke, die Bologna-Reform brachte hier entscheidende Änderungen mit sich. In kürzerer Zeit muss heute gleich viel gelernt werden, als vormals in viel längeren Studien. Das war mit den angestammten didaktischen Prozessen und den angestammten Lehrplänen nicht möglich. So sind in den letzten 20 Jahren im Rahmen dieses Paradigmenwechsels Weiterbildungszentren für Hochschullehrer entstanden.
Universitäten wurde sehr häufig mangelnder Praxisbezug vorgeworfen. Wenn man von Didaktik spricht, dann spricht man nicht nur von qualifizierten Lehrern, sondern auch vom System als solchem, innerhalb dessen die Lehrer lehren. Auch dieses muss mit berücksichtigt und qualifiziert werden. Das haben wir in unserem Leitbild berücksichtigt. Didaktik betrifft die Dozierenden, die Lehrpläne, die Organisation und auch die Studierenden. Ein Studierender, der aus einer Schule kommt, muss sich sehr schnell auf ein völlig anderes didaktisches Konzept einstellen. Wir setzten auf Selbständigkeit, Eigenverantwortung und kritisches Denken.

Stichwort Bologna-Reform: Ist das so ähnlich, wie bei diesen Bachelor- und Masterstudiengängen und der „akademischen Bulimie“, die man sich in Europa auch von Amerika abgeschaut hat? Ist es gut, weil es amerikanisch ist?
Grundsätzlich sind die amerikanischen Didaktik-Konzepte nicht schlecht. Schlecht werden sie dann, wenn sie in Europa falsch angewendet werden und sich in Form von schlechter Lehre äußern. Dafür können wir die Amerikaner nicht verantwortlich machen. Während wir früher eine Swim-or-sink-Taktik verfolgten, betreiben die Amerikaner schon lange eine betreuende und begleitende Didaktik. Studierende werden auf ihrem Lernweg begleitet. Es ist eigentlich seltsam, denn die amerikanische Didaktik basiert ja auf einem Export aus Europa. Als die Amerikaner ihre Universitäten aufbauten, haben sie sich am Humboldt’schen Universitätssystem orientiert. Dieses System schwappt nun zu uns nach Europa zurück. Das Bulimie-Lernen scheint mir eher das Resultat einer falsch verstandenen Bologna-Reform zu sein. Hier wurde im Übereifer häufig über das Ziel hinaus geschossen. Vernünftige Curriculums-Planung macht diesen Fehler nicht.

Universitäten wurde immer wieder ein fehlender Praxisbezug nachgesagt. Ist die Konkurrenz der Fachhochschulen mit höherem Praxisbezug auch ein Hintergrund für das Überdenken der didaktischen Methoden?
Die Uni Liechtenstein muss sich mit diesem Vorwurf sehr wenig auseinandersetzen. Wir setzten seit je auf großen Praxisbezug. Die Universität Liechtenstein war ja früher eine Fachhochschule. Es hat den Universitäten sicher gut getan, dass sie ihr Ausbildungskonzept hinterfragen mussten, fragen inwieweit die Studierenden berufsfähig sind. Das führte zu einer Umorientierung vieler Universitäten und es wurde immer stärker der Bezug zur Praxis gesucht.

Die Überarbeitung der didaktischen Methoden an der Universität Liechtenstein war ein Projekt?
Am Anfang war es ein Projekt. Jetzt sind wir eine Fachstelle, die mittlerweile fünf Jahre alt und dem Projektstadium schon längst entwachsen und institutionalisiert ist.
Wir haben erkannt, dass die Lehre Defizite aufgewiesen hat und nicht mehr zu dem Status passt, den wir als Universität haben wollen. Analog zu anderen Universitäten institutionalisierten wir die Arbeit in der Fachstelle für Didaktik und angewandte Linguistik.

Welche Maßnahmen wurden umgesetzt?

Die erste Maßnahme war das Leitbild. Es enthält Leitsätze und Grundsätze, nach denen gearbeitet wird, und es enthält Handlungsfelder, in denen wir tätig sind. Auf dieser Ebene entwickeln wir Dozierende, die Lehrpläne und die Organisation über unterschiedliche Maßnahmen weiter. Wir haben Weiterbildungen für Dozierende und bewerten die Lehrveranstaltungen regelmäßig. Auf Grund dieser Bewertungen versuchen wir zusammen mit den Dozierenden, ihre Qualifikation weiterzuentwickeln. Dazu kommen interne und externe Hospitationen. Ein anderer wichtiger Punkt ist sicher auch die Entwicklung der Lehrpläne, die regelmäßig überarbeitet und neu aufgesetzt werden.

Wo liegen die Schwerpunkte dieser Maßnahmen?
Bei den Dozierenden gibt es im Moment drei Schwerpunkte: die Evaluation, die Hospitation und die Weiterbildung. Es geht dabei darum, die didaktische Qualifikation der Mitarbeiter sicherzustellen. Im Moment gibt es gerade eine Lehrplanänderung, die bedingt, dass die Dozierenden künftig weniger Kontaktzeiten mit den Studierenden haben, und darauf muss die Didaktik reagieren. Dazu bieten wir eine Weiterbildung an, welche genau diese Problematik über begleitendes Selbststudium behandelt. Auf Ebene der Lehrpläne entwickeln wir gerade den Lehrplan der Architektur, Bachelor und Master, und den Lehrplan der Wirtschaftswissenschaften auf Bachelorebene. Das Masterstudium steht für das nächste Semester an. Die Universität Liechtenstein möchte eine begeisternde Lehre anbieten. Wir sind auf eine sehr gute Lehre angewiesen, weil die Universität Liechtenstein keine Forschungstradition wie beispielsweise die ETH hat. Studierende lernen viel mehr von den Dozierenden als Vorbild, als von irgendwelcher Software oder aus Büchern. Wir als Lehrer mit unserer Haltung, mit unserer Wertorientierung und unserem kritischen Denken sind diejenigen, die die Didaktik ausmachen. Man kann sich genauso wenig nicht verhalten, wie man nicht nicht kommunizieren kann. Studierende können sehr gut zwischen den Zeilen lesen und wissen sehr schnell, wie ernsthaft etwas ist. Es muss uns in einem respektvollen, vertrauenswürdigen und toleranten Umfeld gelingen, mit Erwachsenen auf Augenhöhe zu interagieren. Meine Definition einer zeitgemäßen Didaktik wäre: Wirken durch Vorbild.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Wir sind hier im Atelier der Architektur. Das ist ein Lernkonzept, weitab vom klassischen Hörsaal. Es entspricht dem Konzept der Laborschule Bielefeld. Wir haben hier verschiedene Lerninseln, in denen Lerngruppen an Projekten arbeiten. Ein Dozierender betreut Gruppen von 16 bis 20 Personen und das Lernkonzept beruht stark auf Kooperation. Kooperation wiederum bedingt Vertrauen, Respekt und Toleranz. Hinter diesem Lernkonzept steht auch ein ganz anderes Menschenbild, als beispielsweise im klassischen Hörsaal, es beruht auf Gleichberechtigung und antiautoritärer Lehre.

Gibt es denn einen Grund, autoritäre und antiautoritäre Lernkonzepte parallel zu führen?
Selbstverständlich hat jedes Konzept seine Berechtigung, weil jede Disziplin ihr eigenes Denken hat. Es gibt autoritärere und weniger autoritäre Disziplinen. Beispielsweise die Rechtswissenschaften müssen in der Grundausrichtung eine autoritäre Disziplin sein. Die Philosophie dagegen ist eine fragende.

Zur Person
Dr. Roman Banzer

  • 1999 Hochschuldozent an der Universität Liechtenstein.
  • 2000 - 2008 Dozent an der HTW in Chur.
  • 2008 Leiter der Fachstelle Didaktik und angewandte Linguistik
  • 2009 Vorstandmitglied der European Association for the Teachinig of Academic Writing (EATAW)
  • 2010 Vorstandsmitglied der European Writing Center Association
  • Roman Banzer ist Leiter des Literaturhauses Liechtenstein.

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