Unternehmensethik: Spenden alleine reicht nicht!

Unternehmensethik: Spenden alleine reicht nicht!
Peter Vogler

Moralische Unternehmensverantwortung verpflichtet in erster Linie zur Anerkennung unbedingter Ansprüche eines jeden Menschen.

Nehmen Sie einen Laden um die Ecke, und das Beispiel stammt immerhin vom großen Philosophen Immanuel Kant, dessen Inhaber einem Durchreisenden die Waren zum gleichen Preis wie seinen Stammkunden gibt, so handelt dieser fair. Denn er könnte auch die einmalige Geschäftsbeziehung und die Unwissenheit des Fremden ausnützen und mehr verlangen, ohne dass es negative Konsequenzen für ihn hätte, im Gegenteil: Was in der Kasse übrig bliebe, wäre mehr Gewinn.

Wenn der Händler im oben genannten Beispiel so handelt, weil er von den Grundprinzipien des ehrbaren Kaufmanns überzeugt ist, dann handelt er nicht nur erfolgsstrategisch, sondern auch genuin moralisch, weil für Kant allein der gute Wille zählt. Das Problem aber ist: Sein Handeln widerspricht scheinbar neutralen ökonomischen Prinzipien, nämlich jederzeit seinen Gewinn zu maximieren, was Unternehmern regelmäßig ein Dilemma zwischen Gewinn und Moral beschert.

Zu diesen Fragen hat sich die relativ junge Disziplin der Unternehmensethik in den vergangenen 30 Jahren verstärkt Gedanken gemacht. Entstanden sind verschiedene Konzepte, welche alle die gleiche Ausgangsbasis haben. Wir leben in einem Wirtschaftssystem, welches auf dem Prinzip der Optimierung des Eigennutzes fußt. Den theoretischen Boden dafür bereitet hat die schottische Denktradition um Adam Smith, der als einer der Begründer der Nationalökonomie gilt.

Die Optimierung des Eigennutzes ist nach wie vor der Kern der ökonomischen Theorie
Der Gedanke ist relativ einfach zu rekonstruieren, wenngleich er wissenschaftstheoretisch gesehen nach wie vor als unbeweisbar oder unbewiesen, also spekulativ, zu gelten hat: Wenn alle Marktteilnehmer ihren eigenen Nutzen optimieren, dann sorgt eine „unsichtbare Hand“ dafür, dass der Gesamtnutzen, also die Wohlfahrt, steigt. Dahinter steckt der Gedanke, dass uns der Wettbewerb zu höherer Produktivität und Innovation durch Spezialisierung und Arbeitsteilung zwingt.

Diese Idee entspringt dem klassischen ethischen Utilitarismus, wonach gut diejenige Handlung sei, die in der Folge mehr Freude oder Nutzen als Leid oder Schaden mit sich bringt. Dabei hatten die Philosophen dieser Denkrichtung aber immer „den größten Nutzen für die größtmögliche Zahl“ und nicht den größten Nutzen für den Einzelnen oder eine Gruppe im Blick.  Dennoch hat sich die klassische Theorie der Ökonomie diese Denktradition in stark deformierter Weise zu Eigen gemacht.

Unternehmensethik will den Utilitarismus rechtfertigen, korrigieren oder überwinden
Diesen utilitaristischen Grundzug der ökonomischen Theorie wollen unternehmensethische Konzepte nun entweder rechtfertigen, korrigieren oder überwinden. Ein Begründungsversuch der Ökonomik stammt zum Beispiel vom Wirtschaftsethiker Karl Homann, der auf Unternehmensebene den ökonomischen vor allen anderen Grundprinzipien den Vorrang gibt. Moralische Regeln sollten dabei auf Ordnungsebene – zum Beispiel durch Gesetze oder Branchen-Kodizes – verankert sein.

Eine Korrektur des utilitaristischen Grundzugs mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung streben hingegen Konzepte der „Business Ethics“ oder der „Corporate Social Responsibility (CSR)“ an. Hier wird auf einen Teil des Gewinns bewusst verzichtet, indem moralische Grundprinzipien im unternehmerischen Handeln und Verhalten angewendet werden. Ebenso mittlerweile prominent sind Beispiele, den klassischen Grundgedanken des Utilitarismus als Idee „des größtmöglichen Nutzens für die größte Zahl“ wieder zu erwecken, wie es etwa die „Gemeinwohlökonomie“ versucht.

Nur integrative Unternehmensethik überwindet die Eigennutzen-Optimierung
Einzig die integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik vom Zuschnitt Peter Ulrichs scheint im Moment in der Lage zu sein, dem utilitaristischen Grundzug der Ökonomie einen nahezu vollständigen Gegenentwurf zu bieten. Peter Ulrich rät, verkürzt dargestellt,  den Unternehmen, eine legitime Wertschöpfungsaufgabe in Überreinstimmung mit moralischen Grundprinzipien zu erfüllen, sollte dies aus ökonomischen Gründen nicht möglich sein, den Ausstieg aus dem betreffenden Geschäft.

Das bringt den großen philosophischen Gegenspieler des Utilitarismus ins Spiel, die Deontologie oder Pflichtenethik von Immanuel Kant. Dabei werden unhintergehbare Grundregeln des Zusammenlebens konstatiert, die im unbedingten Anspruch jedes einzelnen Menschen auf unverletzliche Rechte gründen und zum Beispiel im Menschenrechts-Katalog konkret ausformuliert sind. Sie bilden die absolute Grenze jedes unternehmerischen Handelns, welches als moralisch gelten kann.

Spenden alleine reicht nicht – unbedingte Ansprüche jedes Menschen als Kriterium
Damit erhält das Handeln und Verhalten jedes Unternehmens – sei es noch so groß und mächtig - in der Anerkennung grundlegender Rechte jedes einzelnen Menschen seinen unverrückbaren Prüfstein. Denn Unternehmen sind immer bloß Mittel für menschliche Zwecke, während der Mensch selbst unbedingte Ansprüche geltend machen kann und nicht nur als Mittel für (ökonomische) Zwecke, sondern immer auch als Zweck an sich selbst, verstanden werden muss.

Daraus ergibt sich in erster Linie in Anlehnung an die Modallehre von Kant eine apodiktische oder notwendige Unternehmensverantwortung, in zweiter Linie eine assertorische oder tatsächliche, z. B. aufgrund von Verträgen, sowie erst in dritter Linie eine verdienstliche, wozu etwa Philanthropie und das Spenden zählt.  Geht Letzteres nur auf Kosten der ersten beiden Verpflichtungen, wird die unternehmensethische Anforderung an moralisch legitimes Handeln von Unternehmen verfehlt.  

Buchtipp:
MMag. Dr. Peter Vogler hat Anfang 2014 ein Buch zu dieser Thematik mit dem Titel „Genug geschwiegen! Eine praktisch-philosophische Grundlegung der Unternehmensethik. Orientierungs- und Reflexionswissen für Management und Führung“, im Verlag „Innsbruck University Press“ herausgebracht. Er ist Unternehmens- und Kommunikationsberater mit Büros in Dornbirn und Berlin.

Unternehmensethik erlebt zumindest verbal eine Renaissance, jedoch kaum in der Philosophie, obwohl Ethik deren Fachdomäne ist. Dieses Schweigen durchbricht diese praktisch-philosophische Abhandlung, die mit einer umfangreichen Analyse und Rekonstruktion der Begriffe „Unternehmen“, „Ethik“ und „Unternehmensethik“ ihren Ausgang nimmt. Daran anschließend wird eine deskriptive Unternehmensethik entwickelt. Sie entlarvt das normative Fundament für ökonomische Akteure als „real-existierenden Utilitarismus“, welcher den Unternehmen etwa die eigennutzorientierte Gewinnmaximierung als obersten Zweck ihres Handelns und Verhaltens vorschreibt. Demgegenüber versteht sich eine praktisch-philosophisch grundgelegte Unternehmensethik als ein vernunftethischer Ansatz, der zuallererst ein deontologisches Fundament aufweist, woraus sich das Prinzip einer moralischen Unternehmensverantwortung ergibt.

"Für eine philosophisch geneigte Leserschaft bietet Voglers Arbeit eine umfassende Erarbeitung des Themas Unternehmensethik. Für alle anderen Leser sind besonders die umfangreichen Begriffsbestimmungen von Interesse."
Tobias Josua Siebel, forum wirtschaftsethik, Ausgabe 2/2014

Genug geschwiegen!
Wie Unternehmensethik praktisch-philosophisch grundzulegen ist

Peter Vogler
ISBN 978-3-902936-27-1
226 Seiten
2014, innsbruck university press • iup
Preis: 28,90 Euro

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