Vorarlberger Finanzdienstleister: Einstieg in Gold und Euroanleihen nicht ratsam

Vorarlberger Finanzdienstleister: Einstieg in Gold und Euroanleihen nicht ratsam
Ing. Michael Selb, akademischer Finanzdienstleister und Ausschussmitglied der Fachgruppe Finanzdienstleister, Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Feldkirch (A) Die Regierungswechsel in Italien und Griechenland, die beschlossene Aufstockung und das Hebeln des Rettungsfonds sowie die anhaltende Diskussion um Euro-Bonds zeigen: die Kapitalmärkte haben bislang ihr Vertrauen in die Länder der Eurozone nicht wiedergefunden.

Dies belegen die anhaltenden Turbulenzen an den Aktienmärkten ebenso wie weiter steigende Renditen für Staatsanleihen, die Italien oder Spanien in den vergangenen Wochen platziert haben. Die großen Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit von Portugal und infolge der nachlassenden Wirtschaftskonjunktur auch von Ungarn und Belgien herabgestuft. Frankreich könnte bald folgen und selbst Deutschland hatte Schwierigkeiten, eine Bundesanleihe zu platzieren. „Es zeigt sich, dass die Kernländer der EU unter Druck geraten und sich selbst Deutschland mit den anderen Staaten in einer Schicksalsgemeinschaft befindet. Auch die Renditen von Staatsanleihen aus Österreich, den Niederlanden und Finnland sind in den vergangenen Wochen gestiegen“, erklärt Michael Selb, gewerblicher Vermögensberater und Ausschussmitglied der Fachgruppe Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer Vorarlberg. „Die Eurokrise verdeutlicht, dass es keinen Ertrag ohne Risiko gibt und selbst Staaten eine Kreditgrenze haben“, sagt Selb, der Privatanlegern vom Kauf europäischer Anleihen abrät. Ein besseres Ertrags-Risiko-Verhältnis bieten nach Ansicht des Finanzexperten aktuell Anleihen aus wachstumsstarken Schwellenländern.

Europäische Staatsanleihen rentabel aber risikoreich
Das fehlende Vertrauen in die Akteure und Staaten der Eurokrise verteuert die Kreditaufnahme an den Kapitalmärkten. Europäische Länder, die zur Finanzierung ihrer Schulden neue Anleihen emittieren, können diese daher nur noch gegen immer höhere Renditen platzieren. Eine Ausnahme bilden bislang die Schweiz, einige skandinavische Länder und Deutschland. Aber das geringe Interesse und die Kapitalflucht aus den Staatsanleihen der EU-Mitglieder zeigen: Mit neuen Schulden kann nur auf Zeit gespielt werden, die Krise selbst wird hierdurch nicht gelöst.

Angesichts der aktuellen Lage werden Forderungen laut, die Europäische Zentralbank (EZB) solle verstärkt Staatsanleihen angeschlagener Staaten aufkaufen, was jedoch die unsichtbare Gefahr einer steigenden Inflation birgt. Eine andere Option stellen weiterhin Euro-Bonds als gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten dar, mit denen bestehende Schulden vergemeinschaftet und die Zinsen für alle Mitgliedsländer auf ein tragbares Niveau fallen würden. Allerdings müssten Länder mit besserer Bonität, darunter auch Österreich, dann einen höheren Zins als bislang bezahlen.

Investments in Schwellenländern und breit gestreute Aktienfonds
Bisher galten Staatsanleihen als sicher, da ein Land Kredite jederzeit durch relativ günstig finanzierbare Aufnahme frischen Kapitals zurückzahlen konnte. Die aktuelle Situation zeigt auf, dass auch ein Staat nicht unbegrenzt Kredit aufnehmen kann und viele Analysten und Banker halten die Anleihen keines Landes aus der Eurozone mehr für risikolos. „Daher ist privaten Anlegern zur Zeit trotz hoher Renditen von einem Einstieg abzuraten“, meint Selb.

Der Vorarlberger Finanzexperte rät selbst risikofreudigen Anlegern eher dazu, Kapital in Schwellenländern anzulegen. Empfohlen werden vor allem Emerging Markets Funds. Durch die weltweit langfristig wachsende Nachfrage nach natürlichen Ressourcen ist beispielsweise die Ukraine eines der Länder mit besonders positiven Wachstumsaussichten.

Neben einer Vielzahl an rentablen Industrien ist die Ukraine reich an Rohstoffen, bei denen für die Zukunft Zuwachsraten von 20 bis zu 30 Prozent jährlich prognostiziert werden. „Zudem bieten sich derzeit mit der Erwartung einer Beruhigung der Eurozone interessante Einstiegsmöglichkeiten in weltweit breit gestreute Aktienfonds“, ergänzt Selb.

Vorsicht bei Gold
Gold ist in Krisenzeiten besonders gefragt. So hatte sich der Wert des Edelmetalls auch in den letzten fünf Jahren verdreifacht. Obwohl die Krise noch nicht ausgestanden ist, gibt der Goldpreis dennoch seit einigen Wochen nach, da große Investoren und Hedgefonds ihre Bestände verringern. „Privatanleger sollten lieber vorsichtig agieren und die Größenordnung ihrer Goldbestände im Depot mit ihrem Anlageberater überprüfen“, rät Selb.

Frankenkurs bleibt stabil
Trotz Zuspitzung der Euro-Schuldenkrise und weltwirtschaftlichen Unsicherheiten hält sich der Wechselkurs des Franken zum Euro stabil. Die Schweizer Nationalbank verteidigt den im September festgelegten Mindestkurs von 1,20 Schweizer Franken (CHF) zum Euro konsequent und notierte Anfang dieses Monats mit 1,235 CHF. Nachdem wichtige Konjunkturindikatoren auf eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums deuten und Schweizer Firmen Stellenabbau ankündigen, fordern Vertreter aus eidgenössischer Politik und Wirtschaft weitere Interventionen am Devisenmarkt. Eine merkliche Abwertung und Schwächung des Franken sei in der nächsten Zeit eher noch unwahrscheinlich, jedoch dürften sich auch bestehende Fremdwährungskredite in Schweizer Franken nicht weiter verteuern, so Selb abschließend.

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