Aus Alt mach Neu: Kreislauf für automobile Kunststoffe

Aus Alt mach Neu: Kreislauf für automobile Kunststoffe

Salzburg (A) Gut ein halbes Jahr haben Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammen mit Audi im Rahmen des ThinktankS Industrielle Ressourcenstrategien am Pilotprojekt "Chemisches Reycling von Kunststoffen aus dem Automobilbau" geforscht. Jetzt steht fest: Das Chemische Recycling von gemischten Kunststoffabfällen ist technisch machbar sowie ökologisch und wirtschaftlich vielversprechend. Die Kunststoffabfälle aus dem Automobilbau lassen sich zu Pyrolyseöl verarbeiten und könnten Erdöl als Rohstoff für die Produktion von hochwertigen Kunststoffbauteilen bei Audi Modellen ersetzen. Die auf diese Weise geschlossenen Materialkreisläufe sparen wertvolle Ressourcen, Energie und reduzieren die Treibhausgasemissionen. So bietet das Chemische Recycling eine gute Alternative zur energetischen Verwertung und ergänzt die mechanische Aufbereitung. Audi könnte auf diese Weise fossile Rohstoffe länger nutzen und den Einkauf zusätzlicher fossiler Rohstoffe entsprechend reduzieren. Gemeinsam mit Partnern aus der chemischen Industrie und dem KIT wird Audi im nächsten Schritt an der Industrialisierung dieses Kreislaufes forschen.

Kraftstofftanks, Airbagabdeckungen oder Kühlerschutzgitter – viele Bauteile in Autos werden aus Kunststoffen gefertigt. Für sie gelten hohe Anforderungen an Sicherheit, Hitzebeständigkeit und Qualität. Besonders intensiv beanspruchte Kunststoffbauteile in Autos können daher  bislang nur aus Materialien mit Neuwarenqualität hergestellt werden, die mechanisch recycelte Kunststoffe meist nicht erreichen. Zusätzlich sind gemischte Kunststoffabfälle für das mechanische Recycling häufig nicht zugänglich. Der Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat Ende 2020 deshalb zusammen mit Audi ein Pilotprojekt für Chemisches Recycling gestartet. Es wurde getestet, inwieweit automobile Kunststoffmischfraktionen über Chemisches Recycling zurück in einen ressourcenschonenden Kreislauf geführt werden können.

Recyclingbauteile aus Pyrolyseöl sind genauso hochwertig wie Neuwaren
Unter Federführung von Prof. Dr. Dieter Stapf vom Institut für Technische Chemie des KIT und Dr. Rebekka Volk vom Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) des KIT untersuchten Wissenschaftler die technische Machbarkeit des Verfahrens sowie dessen Wirtschaftlichkeit und welche Auswirkungen es auf die Umwelt hat. Das Ergebnis zeigt: Die gemischten Kunststoffabfälle aus dem Automobilbau können durch Chemisches Recycling zu Pyrolyseöl verarbeitet werden, das Erdöl als Chemierohstoff ersetzt. Daraus hergestellte Materialien sind deshalb genauso hochwertig wie Neuwaren. Damit können Kunststoffe aus Pyrolyseöl erneut in hoch beanspruchten Kunststoffbauteilen in der Automobilproduktion verwendet werden. Audi zählt zu den ersten Automobilherstellern, die diese Recyclingmethode in einem Pilotprojekt mit automobilen Kunststoffabfällen getestet haben. Gemeinsam mit dem Partner KIT wird Audi die Forschung intensivieren. So soll in einem Folgeprojekt eine mögliche Industrialisierung getestet werden. Dadurch könnten fossile Rohstoffe länger genutzt und der Einsatz zusätzlicher fossiler Rohstoffe reduziert werden.

Dr. Rebekka Volk vom IIP sagt: "Eine erste Abschätzung zeigt, dass das Chemische Recycling sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus ökologischer Sicht der energetischen Verwertung überlegen sein kann. Wir vergleichen mit der energetischen Verwertung, da diese den aktuellen Verwertungsweg der untersuchten automobilen Kunststoffabfälle darstellt. Eine erste Bilanzierung zeigt, dass die Kosten für das Chemische Recycling auf dem gleichen Niveau der Beträge liegen, die für die energetische Verwertung bezahlt werden müssen. Außerdem bietet das Chemische Recycling die Möglichkeit, einen Großteil des Kohlenstoffs im Kreis zu führen und ihn wieder in der Produktion von neuen Kunststoffbauteilen zu nutzen."

Somit sei der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß beim Chemischen Recycling deutlich geringer als bei der aktuellen energetischen Verwertung – das helfe dem Klima. In Ergänzung zum mechanischen Recycling wandelt die Pyrolyse auch gemischte Altkunststoffe und Verbundmaterialien unter Abtrennung von störenden Inhaltsstoffen in einen flüssigen chemischen Rohstoff um. Dieses Pyrolyseöl kann nach einem Aufreinigungsschritt mit konventionellen Industrieverfahren zu neuem Kunststoff verarbeitet werden und so fossile Primärrohstoffe wie Erdöl ersetzen. Das spart Ressourcen und Energie.

Die Vision: den Anteil an nachhaltig hergestellten Teilen im Auto signifikant zu erhöhen
Das Pilotprojekt "Chemisches Recycling von Kunststoffen aus dem Automobilbau" hatte das Ziel, intelligente Kreisläufe für Kunststoffe mittels Chemischen Recyclings zu testen und diese Methode als Ergänzung für mechanisches Recycling und als Ersatz für eine energetische Verwertung zu prüfen. Jetzt, da die technische Machbarkeit nachgewiesen wurde, will Audi das Verfahren gemeinsam mit seinen Partnern skalieren.

"Wir wollen intelligente Kreisläufe in unseren Lieferketten etablieren und Ressourcen effizient einsetzen“, sagt Marco Philippi, Leiter Beschaffungsstrategie bei Audi. „Chemisches Recycling birgt hierfür großes Potenzial: Wenn Kunststoffbauteile ohne Qualitätsverlust anstatt aus Erdöl aus Pyrolyseöl hergestellt werden können, wäre es möglich, den Anteil an nachhaltig hergestellten Teilen im Auto signifikant zu erhöhen. Auf lange Sicht kann dieses Verfahren auch im Altfahrzeugrecycling eine Rolle  spielen."

Kurzum: Chemisches Recycling von Kunststoffabfällen könnte Produkte von Audi nachhaltiger gestalten und Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette vermeiden.

Mit innovativen Methoden den Markt für Sekundärrohstoffe aktiv gestalten

Für Philipp Eder, Projektleiter für Chemisches Recycling in der Lieferkette bei Audi, geht es beim Chemischen Recycling nicht nur darum, die gesetzlichen Recyclingvorgaben des deutschen und europäischen Abfallrechts zu erfüllen. "Audi möchte mit intelligenten Methoden den Markt für Sekundärrohstoffe proaktiv gestalten und Verantwortung entsprechend dem Vorsprungsgedanken übernehmen." So hat Audi das Chemische Recycling als Chance identifiziert und sich vorgenommen, den Anteil an wiederverwertetem Kunststoff in seinen Modellen sukzessive zu erhöhen.

Bisher werden bei Audi vor allem sortenreine Kunststoffe als Rezyklate verwendet. Aktuelles Beispiel ist der Einsatz von PET im Audi A3. PET ist ein Kunststoff, der aus einer sortenreinen chemischen Verbindung besteht. Diese Stoffe sind einfacher aufzubereiten als Mischkunststoffe. Für den A3 gibt es beispielsweise drei verschiedene Stoffbezüge für den Autositz, die bis zu 89 Prozent Rezyklatanteil haben. Auch im neuen Elektro-SUV Audi Q4 e-tron stecken Bauteile mit Rezyklatanteilen – unter anderem Montageträger, Radlaufschalen, Kotflügelabdeckungen, die Bodenverkleidung und die Radspoiler. Insgesamt haben 27 Komponenten einen Rezyklatanteil. Doch zukünftig könnten auch gemischte Hochleistungskunststoffe aus dem Chemischen Recycling hinzukommen.

Klimaschutz in der Audi Produktion: Plastik recyceln und vermeiden

Auch im standortübergreifenden Umweltprogramm "Mission:Zero" fokussiert sich Audi unter anderem auf Ressourcenschutz, Abfallvermeidung und geschlossene Recyclingkreisläufe in der Produktion. So wird seit Kurzem am Standort Neckarsulm anfallender Plastikabfall aus der A6- und A7-Montage sortiert, zerkleinert und anschließend in einem „Filament-Maker“ zu 3D-Druck- Filament verarbeitet. Aus diesem Kunststofffaden werden mithilfe von 3D-Druckern passgenaue Montagehilfen für die Produktion hergestellt. Das 3D-Druck-Team von Audi arbeitet dabei eng mit dem niederländischen Start-up 3devo zusammen. Von ihm stammt auch die benötigte Technik.

In einem weiteren Recyclingprojekt werden seit Anfang des Jahres Kunststofffolien aus der Audi Montage zu Abfallsäcken verwertet und anschließend am Standort genutzt. Die Logistik hat wiederum zusammen mit Lieferanten mehrere Bauteilverpackungen optimiert. Dadurch konnte Audi allein am Standort Neckarsulm bereits knapp 23 Tonnen nicht recyclingfähiger Verpackungen vermeiden.

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