Second Life: Wenn Lithium-Ionen-Akkus wiederverwendet werden

Second Life: Wenn Lithium-Ionen-Akkus wiederverwendet werden

Von Hubwagen bis hin zu Elektrorollern sind viele moderne Fahrzeuge mit Lithium-Ionen-Akkus ausgestattet. Dank des leichten Gewichts, der kompakten Bauform und der hohen Energiedichte ist die Technologie zur Elektrifizierung des Verkehrs nach heutigem Stand unersetzlich. Mit steigender Nachfrage nach Elektrofahrzeugen steigt im Rahmen der Energiewende somit auch der Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien.

Dadurch wird die Frage nach passenden Recyclingmöglichkeiten immer wichtiger, denn Lithium-Ionen-Akkus enthalten wertvolle Rohstoff wie Kobalt und Graphit. Zur Rückgewinnung der einzelnen Bestandteile im Zuge des Recyclings kommen unter hohem Energie- und Kostenaufwand thermische Aufschmelzung, chemische Trennung und mechanische Zerkleinerung zum Einsatz. Eine Alternative ist der Second-Life-Einsatz gealterter Fahrzeug-Akkumulatoren.

Zweites Leben: Alte Lithium-Ionen-Akkus als stationäre Stromspeicher
Lithium-Ionen-Akkus haben anderen Akku-Technologien vieles voraus. Bei hoher Energiedichte haben sie keinen Memory-Effekt, sind nicht so anfällig für Tiefentladung und zeichnen sich durch eine hohe Anzahl an Ladezyklen aus. Letzteres ist mit einer langen Lebensdauer gleichzusetzen, wobei sich die Kapazität mit jedem geleisteten Ladezyklus minimal verringert. Der Alterungsprozess der Batterie hängt dabei nicht nur von der Anzahl der Ladevorgänge ab, sondern auch von äusseren Faktoren wie der Temperatur. Gerade in Fahrzeugen sind Lithium-Ionen-Akkus extremen Temperaturen ausgesetzt, sowohl während des Betriebs als auch in Ruhe. Grundsätzlich sind Autobatterien Verschleissteile. Je nach Beanspruchung sind so auch Lithium-Ionen-Akkus nach etwa acht bis zehn Jahren zu schwach, um Fahrzeuge anzutreiben. Nach etwa 800 bis 1.000 Zyklen und 100.000 bis 300.000 Kilometern stellt sich bei der Kapazitätsermittlung eine verbliebene Leistungsfähigkeit von 70 bis 80 Prozent heraus. In diesem Fall eignen sich die Akkumulatoren nicht mehr zur Weiterverwendung in Transportmitteln, denn unter der abnehmenden Kapazität leidet die Reichweite. Trotzdem haben ausgemusterte Batterien in etwa acht von zehn Fällen noch immer genügend Power für ein zweites Leben. Beispielsweise als stationäre Stromspeicher, wie sie im Rahmen der Energiewende an Bedeutung gewinnen.

Experten-Tipp für eine längere Akkulebensdauer
Der Umgang mit einem Lithium-Ionen-Akku entscheidet über seine Lebensdauer. Zur Schonung der Batterie ist es beispielsweise empfehlenswert

  • einen Ladebereich zwischen 30 und 80 Prozent zu nutzen.
  • ungenutzte Akkus nicht vollständig zu laden.
  • die Batterie niemals im komplett entladenen Zustand zu lagern.
  • einmal pro Monat auf 100 Prozent zu laden.
  • passende Ladegeräte zu verwenden.
  • Extremtemperaturen zu vermeiden.
  • regelmässig die Kapazität zu messen

Gemeinsam stark: Verbundsysteme aus alten Lithium-Ionen-Akkus
Im Zusammenschluss will man ausgemusterte E-Autobatterien im Rahmen des Klimaschutzes wiederverwenden. Die verbliebenen Kapazitäten der Altakkus können im Verbund volatile Energie aus Wind und Sonne zwischenspeichern. Bei der Umstellung auf Wind- und Solarstrom bestehen Risiken im Hinblick auf die Versorgungssicherheit. Um vom Wetter unabhängig zu werden, müsste das Stromnetz mit Hilfe von Speichersystemen stabilisiert werden. Je weiter die Energiewende fortschreitet, desto grösser ist somit auch der Stromspeicherbedarf. Laut der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey könnten ausgemusterte E-Mobil-Akkus bis 2030 etwa 60 Prozent des Bedarfs abdecken. Als stationäre Stromspeicher können sie Strassenlaternen sowie kleinere Elektrogeräte mit Energie versorgen. Ebenso gut eignen sich ausgemusterte Akkus für den Einsatz auf Batterie-Farmen, als betriebliche Stromversorgungseinheiten innerhalb der Industrie oder als Teil von Ladestationen. Für Privathaushalte ist wiederum die Verwendung der Altbatterien in Kombination mit Photovoltaikanlagen interessant. In Einsatzbereichen wie diesen kann das Second Life einer E-Autobatterie bei überschaubaren Kosten bis zu zehn Jahre dauern. Die Umweltbilanz von E-Mobilen lässt sich dadurch verbessern, weil die Rohstoffe der Autobatterie so deutlich länger genutzt werden. Dementsprechend muss weniger Energie zur Herstellung neuer Akkus aufgewendet werden, sodass knappe Ressourcen geschont werden können.

Wirtschaft: Bekannte Projekte mit Second-Life-Akkus
Im Vergleich zum Recycling rechnet sich das Second Life von Lithium-Ionen-Akkus nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Laut der Batterierichtlinie sind europäische Automobilhersteller gesetzlich dazu verpflichtet, ausgediente Akkus zu recyceln. Seit dem Ausbau der E-Mobilität hat sich die Richtlinie verschärft. Immer höhere Prozentsätze der verbauten Rohstoffe sollen im Rahmen des Recyclings zurückgewonnen werden. Doch die Verfahren erfordern viel Energie, sodass die Kosten der Methoden den wirtschaftlichen Wert der zurückgewonnenen Materialien übersteigen. Dementsprechend engagiert sind Automobilhersteller mittlerweile im Hinblick auf Second-Life-Projekte und werden dabei von Energiedienstleistern sowie Start-up-Unternehmen unterstützt. So beispielsweise im Rahmen

  • VW-Second-Life-Projekte, bei denen gebrauchte E-Mobil-Akkus als leistungsstarke Grossbatterien in den VW-Werken, in Kooperationsprojekten und sogar in Städten genutzt werden.
  • der Skoda-Projekte, bei denen aus alten Batterien stationäre Stromspeicher mit mehr als 320 Kilowattstunden Leistung entstehen und mit Ladestationen gekoppelt werden oder zur Beleuchtung und Klimatisierung von Verkaufsflächen genutzt werden.
  • der modularen Batterie-Packs und mobilen Kleingeneratoren von <strong>Start-up Betteries AMPS, die vor allem in der Film- und Eventbranche, im Baugewerbe, in kleineren Booten und als Speicher für Solaranlagen genutzt werden.
  • der Projekte von Mercedes-Benz Energy, bei denen ein stationärer Stromspeicher aus ausgemusterten Akkus die schwankenden Einspeisungen erneuerbarer Energien fast ohne Verluste ausgleicht.
  • der Twice-Projekte, bei denen aus Kyburz-Fahrzeug-Akkus vollwertige Stromspeicher für zuhause hergestellt werden.
  • eines Pilotprojekts der Stadt Basel, bei dem mit zwei Anlagen aus je 120 Einzelzellen in der 2.000-Watt-Pilotregion Gundeldinger-Quartier das Stromnetz stabilisiert wird.

In den kommenden Jahren wird das Speicherpotenzial von Second-Life-Akkus noch wachsen. Denn seit 2010 steigt der Anteil an zugelassenen Elektroautos in der Schweiz kontinuierlich an. Eine Tendenz, die laut Experten bestehen bleiben wird.

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